Kuredu im Januar 2001- Persönlicher Reisebericht von
Daniel Bär
3. Kokosnüsse - Der maledivische Nußknacker
Kokospalmen auf den Malediven sind Staatseigentum. Da der Staat
aber nicht für die Ernte der Kokosnüsse aller 1.200 Inseln Sorge tragen kann, verpachtet
er diese an Unternehmen oder Privatpersonen. Es ist daher also ungebührlich, jedwede
Kokosnuß, die vom Baum fällt als sein Eigen zu betrachten, auch wenn sie Euch direkt vor
die Füße fällt. Natürlich wird auf der anderen Seite kein Malediver einem
Inselbesucher den Wunsch abschlagen, so eine Kokosnuß selbst zu öffnen und zu verzehren.
Es ist eben eine Frage des Anstandes - und letztlich auch eine Frage des "Know
Hows".
In unserem Falle liegt eben so eine Kokosnuß direkt vor unserer
Hütte, und wir bergen diese und bringen sie auf unsere kleine Terrasse an ein schattiges
Plätzchen. Unser Roomboy gibt sich am nächsten Morgen sehr hilfsbereit und fragt uns, ob
er die Kokosnuß für uns öffnen soll. Wir stimmen gerne zu, und bereitwillig nimmt er
die Frucht und verschwindet um die Bungalow-Ecke außer Sichtweite. Er kommt in weniger
als zwei Minuten zurück, die braune Kokosnuß in seiner Hand und macht sich mit einer
Koralle daran, die Kokosnuß aufzuklopfen. Kurz darauf platzt die Schale auf. Er füllt
die Kokosmilch in einen Becher und reicht sie uns. Sie schmeckt fantastisch. Nie zuvor
habe ich das Aroma einer Kokosnuß so intensiv erlebt wie zu diesem Zeitpunkt und an
diesem Ort. |
|
|
Mit einem Schweizer Taschenmesser zerteilt der maledivische Nußknacker die Kopra und
löst in kurzer Zeit geschickt das Fruchtfleisch von der Schale. Niemals zuvor habe ich
den Geschmack einer Kokosnuß so intensiv empfunden wie jetzt, und die nahrhafte Frucht
ist während unseres Aufenthalts immer wieder ein gern genommener Snack, der gut gekühlt
in einem Becher Wasser in unserem Kühlschrank steht.
Holger bemüht sich einige Tage später persönlich um das
erfolgreiche Öffnen einer weiteren Kokosnuß und hat sichtlich Mühe, die braune Nuß aus
der äußeren, faserigen Hülle zu bekommen. Was unser Roomboy in knapp zwei Minuten
geschafft hat, kostet Holger fast eine halbe Stunde und ein Multifunktionswerkzeug sowie
viel, viel Schweiß und mich viel, viel Nerven. Wir wollen heute eigentlich etwas früher
zum Abendessen. Ich sage nur lapidar: "mach´s morgen", was Holger erst recht
anspornt, hartnäckig weiter sein Ziel zu verfolgen. Ok. Die Sonne war schon fast
untergegangen, als auch Holger die braune Frucht löst und langsam dem Ziel näherkommt.
Es ist in der Tat eine Kunst, eine Kokosnuß so zu öffnen, ohne
dabei körperliche Anstrengungen hinnehmen zu müssen und das Robinson-Gefühl mit einem
Hauch wilder Romantik zu verlieren. Doch Holgers Versuche sind erfolgreich und ich glaube,
den Ausdruck eines gewissen Stolzes in seinem Gesicht entdeckt zu haben, als schließlich
die Kokosmilch durch die Schale rinnt. Seinen Stolz in Ehren, doch auf Nachfrage beim
Roomboy, wie er denn die erste Kokosnuß geöffnet habe, zeigt er uns hinter unserem
Bungalow ein paar Meter weiter im grünbewachsenen Dickicht einen angespitzten Baumstumpf,
der ca. 80 Zentimeter aus der Erde ragt. An diesem löst er die Nuß aus der weichen,
faserigen Hülle heraus. Der Anblick dieser manipulierten Nußknackerhilfe beruhigt uns
wenigstens dahingehend, daß auch unser maledivischer Freund mit einem
Multifunktionswerkzeug genauso aufgeschmissen gewesen wäre, wie Holger - der Rächer der
Nußknacker.
Im Übrigen sei an dieser Stelle angemerkt, daß gegen Ende unseres Aufenthaltes unsere
"neuen" britischen Bungalow-Nachbarn ebenfalls dem Versuch einer eigenständigen
Nußöffnung unter Verwendung einer haushaltsüblichen Nagelschere ziemlich hilflos
gegenüber standen.
|